Beyond the Bridge

Mindfuck muss nicht teuer sein
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[Anzahl der Stimmen: 6 Durchschnitt: 4.3]

Mindfuck-Level: Fortgeschrittener

Die Wurzeln des Mindfuck liegen in vielen Fällen im Independent-Film. Hier soll oft nicht der breite Mainstream angesprochen werden, sondern ein Nischenpublikum, das erzählerischen Neuerungen gegenüber aufgeschlossener ist als der typische Blockbuster-Kinogänger. Außerdem können gute, innovative Geschichten das Fehlen bekannter Schauspieler oder teurer Spezialeffekte vergessen machen. Mehr independent als Beyond the Bridge von Daniel P. Schenk kann ein Mindfuck-Film kaum sein: Das Filmprojekt dauerte insgesamt fünf Jahre bei einem Budget von lediglich 10.000 Euro, welches zum Teil durch Crowdfunding zu Stande kam und zum Teil von den Filmemachern aus eigener Tasche aufgebracht wurde. Die Hauptrolle spielt Maya Schenk, die Schwester des Regisseurs. Vermarktung und Verkauf des Films erfolgen über die eigene Website und bei verschiedenen Video-on-Demand-Anbietern. Das Resultat ist eine Geschichte um Verdrängung und die Schatten der Vergangenheit, die sich vor teureren Produktionen nicht verstecken muss.

Zurück nach Hause

Marla Singer (Maya Schenk) hat zwei Jahre im Ausland Kunst studiert und kehrt nun in ihre Heimatstadt Fribourg zurück, um den Verkauf ihres Elternhauses zu beaufsichtigen. Ihre Eltern sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Doch zuerst lädt sie ihre Freunde zu einer großen Party ein, auf der ihr Jean (Jean-Noël Molinier) schließlich eine Partydroge anbietet. Kurz nachdem Marla die Pille geschluckt hat, verliert sie das Bewusstsein und findet sich außerhalb der Stadt in einem Müllsack wieder. Sie schlägt sich zurück nach Hause durch und findet die Fenster des Hauses mit weiteren Müllsäcken verhängt vor. Im Schlafzimmer sieht sie sich selbst beim Sex auf einem brennenden Bett und kommt anschließend auf dem Boden des Wohnzimmers wieder zu sich. Offenbar haben ihr Jeans Drogen einen schlechten Trip beschert. In den nächsten Tagen kann sie ihren Ex-Freund Eric (Thomas Koch), den sie damals ohne Erklärung verlassen hat, für ein Fotoprojekt gewinnen und kommt ihm langsam wieder näher. Doch in den Nächten hört sie immer wieder rätselhafte Geräusche und hat Wahnvorstellungen. Sie findet im Haus größere Mengen des Schmerzmittels Pentagol, das als Partydroge missbraucht wird und für Halluzinationen sorgen kann.

Quelle: Fallendream Pictures
Quelle: Fallendream Pictures

Als wäre sie nie weg gewesen – Der Mindfuck von Beyond the Bridge

Die Auflösung von Beyond the Bridge

Sie stellt Jean zur Rede und erhält eine überraschende Antwort. Jean hat ihr auf der Party nur einen Streich gespielt. Das vermeintliche Pentagol war nur ein Minzbonbon. Doch kurz darauf kommen Marlas Erinnerungen scheinbar zurück. Ihr Vater hat in einem Krankenhaus gearbeitet und dort immer wieder Pentagol mitgehen lassen, das er anschließend an Junkies verkauft hat. Da Pentagol Fehlgeburten auslöst, hat die schwangere Jugendliche Julia Sommer (Carolina Schenk) bei Marlas Vater Drogen gekauft, um so eine heimliche Abtreibung vorzunehmen. Marla war noch ein Kind als dies geschah und hat alles mit angesehen.

Sie meldet den Fall der Polizei. Doch auch im Anschluss wird sie weiter von Halluzinationen gequält und in einem Streit mit Eric kommt schließlich die Wahrheit ans Licht. Marla war nicht zwei Jahre, sondern nur zwei Wochen im Ausland und ihre Eltern sind nicht tot, sondern im Urlaub. Sie selbst war von Eric schwanger, hat absichtlich eine Fehlgeburt herbeigeführt und den nichts ahnenden Eric dann ohne eine Erklärung sitzen lassen. Nach ihrer Rückkehr in ihr Elternhaus hat sie immer wieder unbewusst Dinge getan, um die Wahrheit vor ihr selbst zu verbergen. Als dies nicht mehr gelang, hat sie ihre eigene Geschichte auf Julia projiziert.

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Verdrängen und Erinnern – Der Mindfuck von Beyond the Bridge

Analyse des Mindfuck von Beyond the Bridge

Das Erinnern an Verdrängtes und Verborgenes ist ein häufiges Motiv in Mindfuck-Filmen. Durch den Namen der Hauptfigur verweist Beyond the Bridge ausdrücklich auf Fight Club und wie im berühmten Referenzfilm liegt die Lösung aller Rätsel von Beyond the Bridge in der Psyche der Hauptfigur. Offensichtlich hat sie sich durch Verdrängung vor dem Trauma des Schwangerschaftsabbruchs geschützt und dabei eine gespaltene Persönlichkeit entwickelt. Die Auflösung zeigt klar, wie eine Persönlichkeit Marlas Schritte einleitet, damit die andere, im Film häufiger präsente Persönlichkeit nicht der Wahrheit auf die Spur kommt. Diese Passagen werden natürlich zunächst in der Erzählung ausgespart.
Auch für sich genommen haben einige von Marlas Halluzinationen echte Mindfuck-Qualitäten. Immer wieder finden sich surreal anmutende Zeichen und Andeutungen, die sich aus Marlas Trauma ergeben. Ob man durch diese Zeichen schon auf das Ende schließen kann, ist für jeden Zuschauer verschieden.

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Fazit

Beyond the Bridge zeigt, dass Kreativität manchmal wichtiger ist als ein großes Budget. Insbesondere gelingt es während Marlas nächtlichen Halluzinationen immer wieder, durch das Zusammenspiel von Bild und Ton eine beklemmend-bedrohliche Atmosphäre zu erzeugen. Auf die im heutigen Horrorfilm so geläufigen Schockeffekte verzichtet der Film dabei dankenswerterweise fast vollständig. Die Geschichte schreitet nach ruhigem Beginn immer schneller vorwärts und die Zusammenhänge sind schlüssig genug, dass man kleinere Logikschwächen (Sollte Marla nicht schon am Minzgeschmack bemerken, dass Jean ihr kein Pentagol verabreicht hat?) zumindest während des Anschauens kaum bemerkt. Der Mindfuck ist kein Selbstzweck, sondern trägt Wesentliches zum Film bei.

Die vielleicht größte Schwäche von Beyond the Bridge entsteht aus einer Abwägungsentscheidung der Filmemacher. Um ein größeres Publikum zu erreichen, wurde der Film komplett auf Englisch gedreht, obwohl dies nicht die Muttersprache der Darsteller ist. Durch die teilweise starken Akzente und die manchmal künstlich klingenden Dialoge wirken die Unterhaltungen der Figuren von Zeit zu Zeit etwas hölzern, auch wenn die Schauspieler an sich eine ordentliche Leistung abliefern. Da Beyond the Bridge ohnehin mehr auf Atmosphäre als auf Dialoge setzt, lässt sich diese Schwäche aber verschmerzen.

Weiterführende Links

Beyond the Bridge bei www.imdb.com
Rezension bei Leinwandreporter
Rezension bei Moviebreak

Beyond the Bridge bei Amazon anschauen

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Bildnachweis: Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung von Fallendream Pictures

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Bernd Leiendecker
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