Lost Highway Poster

Lost Highway

Besser war Lynch nie
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[Anzahl der Stimmen: 39 Durchschnitt: 3.7]

Mindfuck-Level: Profi

David Lynch steht für Mindfuck wie kaum ein anderer Regisseur. Sein Ruf eilt ihm so weit voraus, dass die Filmkritik tatsächlich überrascht war, als er 1999 mit The Straight Story einen Film vorlegte, der völlig auf Mindfuck-Elemente verzichtete. Dagegen fügt sich Lost Highway viel passender in Lynchs Gesamtwerk ein und liefert Mindfuck auf höchstem Niveau.

„Dick Laurent ist tot.“

Das Leben des Jazzmusikers Fred Madison (Bill Pullman) gerät aus den Fugen, als ihm ein Mann über die Gegensprechanlage seines Hauses verkündet, dass Dick Laurent tot sei. Kurz darauf erhalten Fred und seine Frau Renee (Patricia Arquette) Videobänder, die zunächst ihr gemeinsames Haus von außen, dann schließlich auch von innen zeigen, während die beiden schlafend im Bett liegen. Die Polizei ist ratlos. Auf einer Party wird Fred von einem mysteriösen Mann angesprochen, der behauptet gleichzeitig auch in Freds Haus zu sein. Ein Anruf scheint dies tatsächlich zu beweisen. Der Mann ist angeblich ein Freund des geheimnisvollen Dick Laurent. Am nächsten Morgen findet Fred ein weiteres Video, das zeigt, wie er seine Frau ermordet. Fred leugnet die Tat zwar, wird aber dafür zum Tode verurteilt. In seiner Zelle klagt er über heftige Kopfschmerzen und am folgenden Tag ist er plötzlich verschwunden. In seiner Gefängniszelle sitzt der Automechaniker Pete Dayton (Balthazar Getty), der umgehend freigelassen wird. Zwei Polizisten werden darauf angesetzt, ihn zu beschatten.

Szenenbild Lost Highway: Pete und Alice schauen sich tief in die Augen

Tote und Paradoxa – Das Ende von Lost Highway

Das Ende von Lost Highway

Zu Petes Kunden zählt der zwielichtige Mr. Eddy. Dieser wird von den Polizisten, die Pete überwachen als Dick Laurent identifiziert. Als Pete eine Affäre mit der Geliebten von Mr. Eddy, Alice Wakefield, beginnt, scheint ihnen Mr. Eddy schnell auf die Schliche zu kommen. Alice schlägt vor, einen Bekannten auszurauben und mit dem Geld zu fliehen. Sie setzten den Plan in die Tat um, doch im Handgemenge verletzt sich das Opfer von Pete und Alice tödlich. Im Gegensatz zu Alice ist Pete darüber ziemlich verstört. Zudem findet er ein Foto, das Mr. Eddy, Alice und Renee zeigt. Alice und Pete fahren zu einer Hütte in der Wüste, wo Alice ein Treffen mit einem Hehler arrangiert hat. Dieser ist noch nicht da, also lieben sich die beiden im Wüstensand. Anschließend ist es jedoch nicht mehr Pete, sondern Fred, der sich erhebt. Alice ist verschwunden, stattdessen trifft Fred auf den mysteriösen Mann von der Party und flieht vor ihm. Im Lost Highway Hotel findet Fred Mr. Eddy vor, der offensichtlich gerade Sex mit der anscheinend lebendigen Renee hatte. Fred entführt Mr. Eddy in die Wüste, wo der mysteriöse Mann Eddy/Laurent schließlich erschießt. Fred fährt zu seinem Haus und vermeldet über die Gegensprechanlage, dass Dick Laurent tot ist. Dann rast er von der Polizei verfolgt davon.

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Fragen ohne Antworten – Der Mindfuck von Lost Highway

Überlegungen zum Mindfuck von Lost Highway

Am besten begreift man den Mindfuck von Lost Highway wahrscheinlich, indem man an den Film die gleichen Maßstäbe anlegt wie an einen Traum – in diesem Fall wohl wie an einen Alptraum. Die übliche Erwartung einer zusammenhängenden und logischen Geschichte führen dagegen nur zu Fragen, die der Film gar nicht auflösen will:

  • Das zentrale Rätsel des Films ist der Zusammenhang zwischen Fred Madison und Pete Dayton. Zwei große Brüche innerhalb des Films werden dadurch markiert, dass sich Fred in Pete oder Pete in Fred zu „verwandeln“ scheint. Es wird nicht klar, wie Pete Freds Platz in der Gefängniszelle einnimmt und die Wärter reagieren auf Pete wie auf eine eigenständige Person. Trotzdem scheint es einen klaren Zusammenhang zwischen beiden Figuren zu geben. Beide klagen über Kopfschmerzen und fühlen sich zu ähnlichen Frauen hingezogen. Als Pete Jazzmusik im Radio hört, die Freds Musik zumindest sehr ähnlich ist, scheint er Kopfschmerzen zu bekommen und wechselt den Sender. Ist er also vielleicht doch nur die andere Hälfte von Freds Persönlichkeit? Immerhin steckt in Freds Nachnamen das Wort „mad“. Ist Fred tatsächlich verrückt und imaginiert sich ein glücklicheres Leben als Pete, wobei die Imagination letztlich der Realität nicht standhält?
  • Auch die beiden wichtigen Frauen Renee und Alice bleiben rätselhaft. Im Gegensatz zu den männlichen Hauptfiguren, die von unterschiedlichen Mimen dargestellt werden, werden beide Frauen von Patricia Arquette gespielt. Es bleibt unklar, ob nur Alice oder auch Renee mit Mr. Eddy/Laurent sexuellen Kontakt hatte. Oder sind beide ohnehin die gleiche Person? Ein Foto mit beiden Frauen scheint der Gegenbeweis zu sein, doch später im Film zeigt das Foto nur noch Renee.
  • Was hat es mit der Figur des mysteriösen Mannes auf sich, der Fred immer wieder begegnet und ihm schließlich hilft, Dick Laurent zu töten? Wie kann der Mann gleichzeitig vor Fred stehen und aus Freds Haus heraus mit ihm telefonieren? Ist er der Urheber der mysteriösen Videos? Er ist zumindest die einzige Figur, die im Film eine Videokamera benutzt.
  • Das letzte Paradoxon umschließt den Film wie eine Klammer: Wie kann Fred über seine Gegensprechanlage sich selbst informieren, dass Dick Laurent tot ist? Zeitschleifen sind im Film nichts vollkommen Ungewöhnliches, doch Lost Highway liefert hierfür nicht die geringste Erklärung. Gibt es für die zeitliche Struktur des Möbius-Bandes nur formale Gründe, die nichts mit der eigentlichen Geschichte zu tun haben?

Jeder Versuch, die Widersprüche von Lost Highway in vollständigen Einklang zu bringen, ist zum Scheitern verurteilt. Nur wenn man manche Details ignoriert, kann man andere Details erklären. Ein alles umfassender Interpretationsansatz ist nicht vorgesehen und wird dem Film letztlich nicht gerecht. Schließlich bedeutet er nur, dass man sich die falschen Fragen gestellt hat. Also kann man sich auch gleich zurücklehnen und den Mindfuck genießen.

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Fazit

Lost Highway ist ein typischer Lynch: düster, bedrohlich und handwerklich stark gemacht. Gerade die Bildgestaltung und der Soundtrack sorgen für ein eindringliches Kinoerlebnis, bei dem man immer das Gefühl hat, dass irgendetwas nicht stimmt. Die Handlung ist zusammenhängend genug, um den Zuschauer anzusprechen, aber immer wieder entfalten sich Elemente des Mindfuck und lassen keinerlei Gefühl der Sicherheit aufkommen. Kurz gesagt: Lost Highway ist ganz großes Mindfuck-Kino und stellt den Höhepunkt von Lynchs filmischem Schaffen dar.

Weiterführende Links

Lost Highway bei www.imdb.com
Lost Highway bei www.rottentomatoes.com
Interpretation von Lost Highway bei www.screenheroes.net

Filme wie Lost Highway

Filme mit ähnlichem Mindfuck wie Lost Highway

Enter the Void (Frankreich/Deutschland/Italien/Kanada 2009, Gaspar Noé)
Eraserhead (USA 1977, David Lynch)
HAGER (Deutschland/Österreich 2020, Kevin Kopacka)
Hinter den Augen die Dämmerung (Deutschland 2021, Kevin Kopacka)
Holy Motors (Frankreich/Deutschland 2012, Leos Carax)
Inland Empire (Frankreich/Polen/USA 2006, David Lynch)
Letztes Jahr in Marienbad (Frankreich/Italien 1961, Alain Resnais)
Mulholland Drive (Frankreich/USA 2001, David Lynch)
Naked Lunch (Kanada/Großbritannien/Japan 1991, David Cronenberg)
The Tree of Life (USA 2011, Terrence Malick)
Upstream Color (USA 2013, Shane Carruth)

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Bildnachweis: Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung von Studiocanal Home Entertainment

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Bernd Leiendecker
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