Mindfuck-Level: Fortgeschrittener
Martin Scorsese und Leonardo DiCaprio sind inzwischen ein eingespieltes Team. Nach ihrer Zusammenarbeit in Gangs of New York, Aviator und Departed ist Shutter Island bereits die vierte Zusammenarbeit von Scorsese und DiCaprio. Der Film ist die eine relativ werksgetreue Adaption des gleichnamigen Romans von Dennis Lehane. Kann bei einem Mindfuck-Film mit so vielen Könnern am Werk tatsächlich etwas schiefgehen? Leider ist die Antwort: Ja, kann es.
Auf der Suche nach Nummer 67
Marshall Teddy Daniels (Leonardo DiCaprio) und sein Kollege Chuck Aule (Mark Ruffalo) werden in die Nervenheilanstalt Ashecliffe auf Shutter Island gerufen. Die Patientin Rachel Solando ist spurlos verschwunden. Die Marshalls stoßen bei ihren Ermittlungen auf wenig Unterstützung durch das Personal um Dr. Cawley (Ben Kingsley). Doch Daniels lässt nicht locker. Er hat persönlich um die Übertragung des Falls gebeten, denn in Ashecliffe vermutet er den Brandstifter Andrew Laeddis. Laeddis soll vor Jahren das Feuer gelegt haben, bei dem Daniels Familie ums Leben kam. Er befindet sich nicht unter den 66 offiziellen Patienten der Anstalt, doch eine Notiz von Rachel lässt vermuten, dass es noch einen 67. Patienten gibt. Nach und nach gelangt Daniels zu dem Schluss, dass in dem Leuchtturm von Shutter Island illegale Experimente an den Patienten durchgeführt werden. Zudem findet er die geflohene Rachel, die ihn warnt, dass er von dem Klinikpersonal unter Drogen gesetzt wird. Ziel der Aktion sei, Daniels für verrückt zu erklären und ihn in Ashecliffe zu behalten.
Das Gesetz der 4 – Das Ende von Shutter Island
Daniels untersucht den Leuchtturm und trifft dort auf Cawley. Dieser erklärt, dass Daniels in Wahrheit selbst Andrew Laeddis ist und bereits seit zwei Jahren ein Patient in Ashecliffe sei. Daniels/Laeddis Frau hatte die gemeinsamen Kinder in einem See ertränkt und ihr Mann erschoss sie deswegen. Das Gesetz der 4, auf welches eine Notiz von Rachel Solando anspielt, verweist darauf, dass Edward Daniels und Andrew Laeddis sowie Rachel Solando und Dolores Chanal – der Mädchenname der toten Ehefrau – jeweils Anagramme sind. Daniels angeblicher Partner Chuck Aule gibt sich als Arzt der Anstalt zu erkennen. Die gesamte Ermittlung war ein umfangreiches Rollenspiel, um Daniels seine Geistesstörung ausleben zu lassen. Die Hoffnung war, dass er selbst merken würde, dass seine Verdächtigungen gegenüber dem Personal und seine Suche nach Laeddis nur aus Wahnvorstellungen entstanden sind. Wenn Daniels dies nicht anerkennt, droht ihm eine Lobotomie. Daniels sagt den Ärzten, was sie hören wollen, doch in einem späteren Gespräch mit Chuck wird klar, dass er weiterhin an seine Version der Ereignisse glaubt.
Der Mindfuck von Shutter Island
Bei einem Film, der in einer Nervenheilanstalt spielt, ist Mindfuck oft nicht weit. Insbesondere, wenn der Ermittler Daniels offensichtliche psychische Probleme hat, die sich in Albträumen und Erinnerungen an seine Kriegserlebnisse ausdrücken.
Dass Teddy allerdings tatsächlich geisteskrank ist und die gesamte Ermittlung von den Ärzten als Rollenspiel inszeniert wurde, bleibt lange Zeit verborgen. Dabei bemüht sich der Film durchaus, seinen Plot Twist anzukündigen, indem schon vorher immer wieder kleine Irritationen eingebaut werden. Beispielsweise befragt Daniels eine Patientin, die sich ein Glas Wasser geben lässt. Als sie dann scheinbar trinkt, ist ihre Hand leer und trotzdem ist direkt anschließend ein leeres Glas zu sehen. Diese Irritationen deuten darauf hin, dass Daniels die Welt nicht so wahrnimmt, wie sie wirklich ist. Allerdings wird in der Auflösung nicht mehr darauf eingegangen, so dass die Wirkung der Irritationen nicht so groß ist, wie sie sein könnte.
Es existiert darüber hinaus noch eine alternative Deutung des Endes von Shutter Island, welche besagt, dass Teddy wirklich ein US-Marshall ist und von den Ärzten hereingelegt und in den Wahnsinn getrieben wird. Dies ist zumindest für den Film jedoch kaum haltbar. Die Rückblende, welche an prominenter Stelle den Tod von Teddys Familie darstellt, ist dafür zu ausführlich. Zudem wird ihr nichts Gleichwertiges entgegengestellt.
Fazit
Eigentlich macht Shutter Island vieles richtig. Die Schauspieler, angeführt von Leonardo DiCaprio und Ben Kingsley, liefern starke Leistungen ab und der Film erzeugt effektiv eine unheimliche und paranoide Stimmung.
Umso mehr zieht der Plot Twist aber den Film runter.
Die in Shutter Island verwendete Form des Plot Twists – alles ist im Vorfeld abgesprochen und verläuft nach einem dem Zuschauer unbekannten Plan – wird auch als Set-Up-Twist bezeichnet. Dieser bringt leider häufig ein Glaubwürdigkeitsproblem mit sich – so auch hier.
Es ist einfach schwer zu glauben, dass alle Handlungen von Daniels so weit vorausgesehen werden konnten, dass die Ärzte und Pfleger ein lückenloses Rollenspiel inszenieren konnten. Darüber hinaus erscheint dies therapeutisch fragwürdig und zugleich hoch riskant. Schließlich bringt Daniels sich während der Ermittlungen selbst in Gefahr und verletzt einen Wärter und einen Patienten. Nicht zuletzt wird das zuvor Gesehene durch den Plot Twist zumindest zum Teil entwertet. Schließlich hat es das Mysterium um Rachel Solando nie wirklich gegeben und alle Emotionen und gedanklichen Anstrengungen, die der Zuschauer in diese Handlungslinie investiert hat, waren vergeblich.
So bleiben zwar gute Ansätze, doch der ganz große Wurf gelingt Shutter Island nicht.
Die Meinungen zum Ende von Shutter Island gehen durchaus auseinander. In einer Top10-Liste von www.filmfreek.de wird es als perfekt bezeichnet. www.mehrfilm.de kritisiert dagegen, dass das Ende im Gegensatz zum Roman alle Fragen beantwortet und sieht es als unwillkommen an.
Weiterführende Links
Shutter Island bei www.imdb.com
Shutter Island bei www.rottentomatoes.com
Shutter Island bei Amazon kaufen
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Am besten mit mehreren Leuten ansehen, damit hinterher wild diskutiert und spekuliert werden kann.