Mindfuck-Level: Fortgeschrittener
Es gibt wohl kaum einen Regisseur, dessen Leben abseits der Kamera so kontrovers diskutiert wurde wie das von Roman Polanski. Seine Frau Sharon Tate und sein ungeborenes Kind wurden brutal ermordet. Er selbst wurde wegen sexueller Handlungen mit einer Minderjährigen angeklagt und setzt seit fast 40 Jahren keinen Fuß mehr in die USA, um einer möglichen Bestrafung zu entgehen. Während seine Taten weiterhin von vielen verurteilt werden, genießt der gebürtige Pole Polanski als Regisseur einen exzellenten Ruf. Einer seiner ersten englischsprachigen Filme ist Ekel (Originaltitel: Repulsion), ein früher Mindfuck-Film über eine sexuell gestörte junge Frau.
Einsam
Die hübsche Carol (Catherine Deneuve) arbeitet in einem Kosmetiksalon und teilt sich eine Wohnung mit ihrer Schwester Helen (Yvonne Furneaux). Sie ist extrem schüchtern und weiß nicht, wie sie mit den Avancen ihres Verehrers Colin (John Fraser) umgehen soll. Auch die Tatsache, dass Helens Freund Michael (Ian Hendry) immer öfter im Apartment übernachtet und bald mit Helen in Urlaub fährt, passt Carol überhaupt nicht. Als Michael und Helen dann wirklich nach Italien aufbrechen, schottet sich Carol noch mehr ab. Sie geht nicht mehr regelmäßig zur Arbeit und verlässt die Wohnung kaum. Doch auch hier fühlt sie sich nicht sicher. Es bilden sich immer größere Risse in den Wänden. Außerdem glaubt Carol, einen fremden Mann in der Wohnung zu sehen, und schließlich wird sie von ihm vergewaltigt.
Eingesperrt – Das Ende von Ekel
Carol isoliert sich zusehends, bis Colin eines Tages vor ihrer Tür steht und sich schließlich mit Gewalt Zutritt verschafft. Er gesteht, dass er mit Carol zusammen sein will, doch diese erschlägt ihn mit einem Kerzenleuchter. Sie vernagelt die Tür und legt Colins Leiche in die Badewanne. Als sie abends ins Bett gehen will, wartet dort schon der unbekannte Vergewaltiger. Am nächsten Tag hat Carol plötzlich das Gefühl, als würden Hände aus der Wand nach ihr greifen. Kurze Zeit später steht ihr Vermieter vor der Tür, um die längst überfällige Miete einzutreiben. Als er zudringlich wird, tötet Carol ihn mit einem Rasiermesser. Bei der Rückkehr von Helen und Michael findet Helen die Wohnung in entsetzlichem Zustand vor. Beim Blick ins Badezimmer trifft sie der Schock. Kurz darauf findet sie die völlig apathische Carol unter ihrem Bett liegend vor.
Einsicht – Der Mindfuck von Ekel
Offensichtlich ist nicht alles, was Carol scheinbar erlebt hat, tatsächlich geschehen. Im Gegensatz zu vielen Mindfuck-Filmen verzichtet Ekel aber auf einen klar ausgestellten Plot Twist, der diese Tatsache aufdeckt. Stattdessen setzt der Film auf eine Strategie der schleichenden Erkenntnis. Wann der Zuschauer feststellt, dass er der filmischen Darstellung nicht trauen kann, ist individuell verschieden. Die Hände aus der Wand dürften so gut wie alle Zuschauer als Halluzination erkennen und spätestens hier an dem Gesehenen zweifeln. Manche werden schon den Vergewaltiger oder die Risse in der Wand anzweifeln, andere halten dies noch für real.
Genau genommen ist nicht einmal geklärt, ob Carol wirklich jemanden ermordet hat. Zwar ist Helen offensichtlich geschockt, als sie das Badezimmer sieht. Aber es wird nie klar, ob sie dort eine oder mehrere Leichen vorfindet oder ob sie etwas anderes gesehen hat. Auch Michael spricht nur davon, dass er telefonieren müsse. Ob er die Polizei ruft, bleibt unklar, auch wenn es die plausibelste Erklärung ist.
Nicht zuletzt lässt sich auch über die Ursache von Carols gestörter Sexualität nur spekulieren. Eine wichtige Rolle scheint ein Bild ihrer Familie zu spielen, in dem Carol noch ein Kind ist. Während Helen auf dem Bild vertraut mit ihren Eltern umgeht, starrt Carol ihren Vater auf merkwürdige Weise an. Wurde sie als Kind von ihrem Vater missbraucht? Oder soll das Foto zeigen, dass sie auch zu dieser Zeit schon unfähig war, körperliche Zuwendung zu geben oder zu akzeptieren?
Fazit
Ekel ist ein von der Filmkritik oft hoch gelobter Film. Auf www.rottentomatoes.com hat der Film sogar ein Rating von 100 %, also ausschließlich positive Kritiken. Und tatsächlich ist Ekel handwerklich sehr gut gemacht, insbesondere die Kameraarbeit überzeugt. Allerdings ändert das nichts daran, dass Ekel fast keine Story hat. Carols Abgleiten in den Wahnsinn wird episodenhaft dargestellt, aber letztlich passiert nicht viel. Auch über Carol selbst erfährt das Publikum sehr wenig, so dass es schwierig ist, eine Identifikation mit ihr aufzubauen. So können weder die handwerkliche Qualität des Films noch die relativ innovative Handhabung des Mindfucks darüber hinwegtäuschen, dass Ekel ein ziemlich langweiliges Filmerlebnis ist.
Weiterführende Links
Ekel bei www.imdb.com
Rezension bei Filmverliebt
Filme wie Ekel
Babycall (Norwegen/Deutschland/Schweden 2011, Pål Sletaune)
Black Butterfly (Spanien/USA/Italien2017, Brian Goodman)
Chasing Sleep (Kanada/USA/Frankreich 2000, Michael Walker)
Der diskrete Charme der Bourgeoisie (Frankreich 1972, Luis Bunuel)
Fear and Loathing in Las Vegas (USA 1998, Terry Gilliam)
Living in Oblivion (USA 1995, Tom DiCillo)
One Way Trip (Schweiz/Österreich 2011, Markus Welter)
Phantasm – Das Böse (USA 1979, Don Coscarelli)
Reality XL (Deutschland 2012, Thomas Bohn)
Sh! The Octopus (USA 1937, William C. McGann)
Shrooms (Irland/Großbritannien/Dänemark 2007, Paddy Breathnach)
Susan’s Plan (USA 1998, John Landis)
The Brown Bunny (USA/Japan 2003, Vincent Gallo)
The Dark Hours (Kanada 2005, Paul Fox)
The Heart of the Warrior (Spanien 1999, Daniel Monzón)
The Perfection (USA 2018, Richard Shepard)
Traum ohne Ende (Großbritannien 1945, Alberto Cavalcanti, Charles Crichton, Basil Dearden, Robert Hamer)
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Bildnachweis: Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung von Studiocanal Home Entertainment
- Parallel - 8. Januar 2023
- Hinter den Augen die Dämmerung - 20. November 2022
- Phantasm – Das Böse - 2. Februar 2022
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