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I’m Thinking of Ending Things

Das Ende naht
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Unsere Bewertung
Eure Bewertung
[Anzahl der Stimmen: 32 Durchschnitt: 3.7]

Mindfuck-Level: Experte

Der Autor und Regisseur Charlie Kaufman steht für ungewöhnliche Erzählweisen. Das haben beispielsweise Adaption und Synecdoche, New York bereits hinlänglich unter Beweis gestellt. Entsprechend dürften die meisten Zuschauer wissen, worauf sie sich in seinem neuesten Film I’m Thinking of Ending Things einlassen. Und in dieser Hinsicht enttäuscht die Netflix-Produktion nicht: Kaufman liefert einen Mindfuck, der es seinem Publikum nicht leicht macht.

Der Anfang von Ende

Eine junge Frau (Jessie Buckley) macht sich zusammen mit ihrem Partner Jake (Jesse Plemons) auf, um Jakes Eltern zu besuchen. Sie hat gemischte Gefühle bezüglich des Besuchs, wie uns ihr Voice-Over mitteilt: Obwohl Jake ein einfühlsamer, lieber Mensch ist, spielt die Frau bereits wieder mit dem Gedanken, die Beziehung zu beenden. Entsprechend beklommen verlaufen die Gespräche des Paares während der Fahrt. Eine echte Unterhaltung kommt nicht in Gang, die Konversation gerät meist nach wenigen Sätzen ins Stocken.

Als die beiden auf der Farm von Jakes Eltern eintreffen, setzt sich die unangenehme Atmosphäre fort. Jakes Mutter (Toni Collette) und Jakes Vater (David Thewlis) sind ebenso wie Jake und seine Freundin um höfliche Konversation bemüht, doch es kommt nie zu einem entspannten Gespräch.

Nach dem Nachtisch sind Jake und seine Familie plötzlich nicht mehr im Raum. Die junge Frau geht allein durchs Haus und trifft dabei Jakes Eltern in verschiedenen Stadien des Alterns an – mal als senile Greise, mal als junge Erwachsene.

Zurück in die Schule – Das Ende von I’m Thinking of Ending Things

Das Ende

Schließlich brechen Jake und die Frau wieder auf. In einem immer stärker werdenden Schneesturm machen sie auf Jakes Wunsch zunächst an einem Eisverkaufsstand Halt und kaufen sich ein Eis. Beide verlieren jedoch schnell den Gefallen an ihrer Portion und Jake besteht darauf, das Eis wegzuwerfen, bevor es schmilzt. Er fährt zu seiner alten Schule, weil dort eine Mülltonne steht.

Jake wirft die Eisbecher weg und kehrt zum Auto zurück. Als er die junge Frau küsst, fühlt er sich beobachtet und möchte den Voyeur zur Rede stellen.

Die junge Frau wartet zunächst im Auto, geht dann aber zur Schule, um nach Jake zu suchen. Im Vorbeigehen bemerkt sie, dass die ganze Mülltonne mit Eisbechern gefüllt ist. Im Gebäude trifft sie zunächst den Hausmeister (Guy Boyd), eine Figur, die schon in früheren Szenen im Film zu sehen war, ohne dass der Sinn dieser Szenen klar wurde. Sie versucht Jake zu beschreiben, kann dies aber nicht und gibt zu, dass sie ihn gar nicht kennt.

Schließlich findet die Frau Jake und es kommt zu einer Ballettszene, in der Alter Egos der beiden sich in einander verlieben und glücklich sind, bis eine andere Version des Hausmeisters Jakes Alter Ego tötet. Der echte Hausmeister macht sauber und geht dann zu seinem Auto, wo er offensichtlich durchdreht. Er zieht sich in der eisigen Winternacht nackt aus und folgt einer Halluzination eines Schweins wieder in die Schule. Dort nimmt eine gealterte Version von Jake eine Auszeichnung für sein Lebenswerk entgegen.

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Die Dinge beenden – Der Mindfuck von I’m Thinking of Ending Things

Analyse des Mindfuck

Für jeden Zuschauer wird deutlich, dass sowohl die Zeit als auch die Figuren nicht einheitlich bleiben. Einige Tatsachen wirken besonders verstörend und rätselhaft:

  • Name und Beruf der jungen Frau scheinen sich wiederholt zu änden. Sie reagiert auf alle Namen, mit denen sie angesprochen wird und bestätigt auch die verschiedenen Berufe, die sie vorgeblich hat.
  • In den verschiedenen Szenen trägt die Frau immer wieder unterschiedliche Ohrringe.
  • Ein Gedicht und verschiedene Gemälde, welche anscheinend von der jungen Frau angefertigt wurden, finden sich später im Film in den Werken anderer Künstler.

Der Film bleibt vage in seiner Auflösung und ist dadurch offen für Interpretationen. Unter Berücksichtigung der Buchvorlage lässt sich folgende Deutung des Endes aufstellen: Der Hausmeister ist Jake, der sich einen schöneren Verlauf seines Lebens vorstellt. Eine Frau, die er in einer Kneipe gesehen hat, dient ihm dabei als Vorlage. Die echte Frau hat er niemals angesprochen, doch er stellt sich nun vor, wie eine gemeinsame Zukunft wohl ausgesehen hätte. Dabei passt er seine Vorstellung immer wieder an, was die unterschiedlichen Namen, Berufe und Verhaltensweisen der Frau im Verlauf des Films erklärt. Auch die Tatsache, dass Jake ihr Gedichte und Gemälde „unterschiebt“, die er aus seinem Elternhaus kennt, spricht dafür, dass die Frau nur ein Phantasieprodukt ist.

In Wirklichkeit scheint Hausmeister Jake ein freudloses Leben geführt zu haben. Seine Eltern sind schon vor langer Zeit gestorben und er hat an seiner alten Schule als Hausmeister gearbeitet. Doch mit dieser Schule verbindet ihn die Erinnerung an Hänseleien und fehlende Akzeptanz. Deshalb flüchtet er sich in Phantasien, doch er kann nicht einmal seinen Vorstellungen einen dauerhaft positiven Anstrich geben. Schließlich dreht er durch und erfriert, während er sich vorstellt, endlich von allen anerkannt zu werden.

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Fazit

I’m Thinking of Ending Things lässt sich nur schwierig auf einer 5-Sterne-Skala bewerten. Die meisten Zuschauer werden Kaufmans Film entweder wirklich gut oder wirklich schlecht finden. Die Gründe für beides sind nachvollziehbar.

Zunächst zum Positiven: I’m Thinking of Ending Things wird von guten Schauspielerleistungen getragen und bietet unkonventionellen, innovativen Mindfuck für Profis. In Kenntnis der Auflösung erschließen sich bei einer zweiten Sichtung noch viele kleine Details, die erst jetzt einen Sinn ergeben. Hier bin ich auf Eure Kommentare gespannt, was Ihr alles gefunden habt. Auch nach dem Anschauen lässt einen der Film nicht los und übt eine seltene Faszination aus.

Negatives gibt es aber auch: I’m Thinking of Ending Things ist lang und verliert sich manchmal in ausufernden Dialogen voller populärkultureller Anspielungen, in denen sich nicht jeder zurechtfindet. Hier wäre weniger manchmal mehr gewesen.

Beurteilung des Filmendes

Während die „Auflösung“ gut gemacht, stimmig und nachvollziehbar ist, enttäuscht ihr Inhalt. Während des gesamten Films wird dem Zuschauer vorgegaukelt, es ginge um das Erleben der jungen Frau. In Wirklichkeit steht dann aber wieder mal die Befindlichkeit eines weißen Mannes im Vordergrund – eines unterdurchschnittlichen weißen Mannes noch dazu. Das mag ein typisches Kaufman-Thema sein, wirkte auf mich in diesem Fall aber eher ermüdend.

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Weiterführende Links

I’m Thinking of Ending Things bei www.imdb.com
I’m Thinking of Ending Things bei www.rottentomatoes.com

Filme wie I’m Thinking of Ending Things

Filme mit ähnlichem Mindfuck

Enemy (Kanada/Spanien/Frankreich 2013, Denis Villeneuve)

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Bernd Leiendecker
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3 comments on “I’m Thinking of Ending ThingsAdd yours →

  1. Da kann man sonst was hinein interpretieren – finde den film seltsam und hab ihn nicht verstanden – warum wird es aus der Position der Frau dargestellt, wenn sie fiktiv sein soll? Das macht keinen Sinn.

  2. Ich vermute ihr Gedanke „I‘m thinking of ending things“ ist eigentlich sein eigener Gedanke, bezogen auf sein Leben.
    Hierfür spricht sein eigener Tod (ob nun mit Absicht oder weil er sein Leben einfach aufgibt), aber vor allem, dass sie den Gedanken hat, ihn nicht ausspricht, er aber fragt, ob sie was gesagt habe. Als könne er ihren Gedanken hören. Da sie nur in seinem Kopf existiert, ist vielleicht der Gedanke allein sein eigener und er „ertappt“ sich dabei so etwas zu denken?

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